Honigtopf
BORG MistelbachWALD-WASSER-WEINviertel aus Sicht einer Schülerin

WALD-WASSER-WEINviertel aus Sicht einer Schülerin

Das 25 Monate umfassende Projekt WALD-WASSER-WEINviertel wurde als Sparkling Science Projekt geführt, das heißt es wurden Schulen, in diesem Fall Schulen in Mistelbach, miteingebunden.

Unsere Klasse wurde das erste Mal im Juni 2011 aktiv miteinbezogen. Am 21. des Monats wurden Holzproben von Schwarzkiefern im Wald von Hüttendorf genommen, welche wir selbst entnehmen durften. Die Vorgehensweise wurde uns sehr gut erklärt und auch in der Praxis demonstriert. Den Bohrer musste man mit dem Schulterstück fest an den Stamm drücken und anfangen zu drehen. So näherte sich die Windung immer weiter in Richtung Stammmitte. Durch eine einfache Drehbewegung konnte man den Bohrkern vom restlichen Holz lösen und entnehmen. Noch heute hätten wir die nötige Kenntnis, um einen Baum richtig anzubohren. Wir lernten, dass man zwei Bohrkerne pro Baum nimmt, welche im rechten Winkel zueinander stehen sollten. Des Weiteren sollte der Baum relativ gerade gewachsen sein.
Ich finde es eine sehr gute Idee, dass SchülerInnen mit denselben Methoden arbeiten dürfen wie WissenschafterInnen von Forschungseinrichtungen, da man als JugendlicheR dadurch nicht das Gefühl bekommt, untergeordnet zu sein. Auch der Verzicht auf die Höflichkeitsanrede hat dazu beigetragen, ein angenehmes und freundliches Arbeitsklima zu schaffen. Es war sehr interessant zu sehen, wie dieser Arbeitsschritt vor sich geht, da sich noch niemand von uns eingehender mit Bäumen oder dem Wald beschäftigt hatte.

Am 18. Jänner 2012 fuhr unsere Klasse ins Dendrochronologie-Labor nach Tulln, wo wir einige Bohrkerne vermessen durften. Wir stellten fest, dass dieser Teil des Projekts mit einem hohen Zeitaufwand verbunden ist, da man jeden Jahrring eines Bohrkerns einzeln vermessen muss. Die erfassten Jahrringbreiten wurden in einem Koordinatensystem dargestellt: auf der x-Achse befanden sich die Jahre, auf der y-Achse die Jahrringbreiten. Diese entstandene Kurve wurde mit einer bereits vorhandenen Durchschnittskurve aller Messungen verglichen und so konnte sie zeitlich eingeordnet werden.
Nur einen guten Monat später beteiligten wir uns ein drittes Mal an dem Projekt WALD-WASSER-WEINviertel, indem wir einen Statistikworkshop in der Schule hatten. Wir bekamen eine sehr ausführliche Arbeitsanweisung. Aufgabe war es herauszufinden, inwiefern die Jahrringbreiten mit Temperatur und Niederschlag eines Standortes zusammenhängen. Zu diesem Zweck standen uns Wetteraufzeichnungen (monatliche durchschnittliche Temperatur und Gesamtniederschlag) sowie relative Breite von Früh- und Spätholz zur Verfügung. Um einen Zusammenhang zwischen der Breite eines Jahrringes und der durchschnittlichen Temperatur bzw. der Niederschlagsmenge feststellen zu können, berechneten wir uns den Korrelationskoeffizienten mit Hilfe von EXCEL. Dies ist eine Zahl zwischen -1 und +1, welche angibt, wie gut zwei Datenreihen korrelieren. Je näher der Betrag des Korrelationskoeffizienten bei 1 ist, umso stärker ist der Zusammenhang. An diesem Tag lernten wir, dass mehr Niederschlag einen breiteren Jahrring entstehen lässt (positiver Koeffizient). Allerdings spielt die Temperatur auch eine wichtige Rolle bei der Breite eines Jahrrings: Je höher die Temperatur ist, umso mehr Wasser, welches der Baum eigentlich aufnehmen könnte, wird verdunsten. Als Folge steht dem Baum nun weniger Wasser zur Verfügung und je weniger Wasser vorhanden ist, umso schmaler wird der Jahrring. Das heißt, dass die Temperatur und die Jahrringbreite indirekt zueinander stehen (negativer Koeffizient).
Es war sehr überraschend zu sehen, dass die Jahrringbreiten und die gemessenen Daten in einigen Jahren komplett verschiedene Ausschläge des Graphen lieferten. So wurde uns bewusst, dass Temperatur und Niederschlagsmenge vollkommen unterschiedliche Auswirkungen auf Bäume haben können. Des Weiteren kann man von einem schmalen Jahrring nicht automatisch darauf schließen, dass es wenig geregnet hat in diesem Jahr. Es sind nämlich immer viele verschiedene Komponenten für das Baumwachstum verantwortlich, wie zum Beispiel eben die Temperatur. Aber auch Ereignisse wie ein Schädlingsbefall oder eine Durchforstung am Standort können einen Einfluss auf die Jahrringbreite haben.
Die Projektabschlussveranstaltung fand am 16. April 2012 im Kleinen Stadtsaal in Mistelbach, welcher mit Plakaten des Projekts geschmückt war, statt. An diesem Tag wurden die bisherigen Ergebnisse präsentiert. Es referierten ForscherInnen und Studenten der BOKU, sowie SchülerInnen, welche in das Projekt miteingebunden waren. Zusätzlich gab es auch musikalische Beiträge des Wahlpflichtfaches BORG Mistelbach und anschließend betreute die LFS Mistelbach ein kleines Buffet. Außerdem waren Holzfiguren von Herrn Professor Böhm (BORG Mistelbach) zu bestaunen.
Im Juli 2012 durften wir noch einmal Schwarzkiefern anbohren - dieses Mal allerdings nicht im Namen der Forschung, sondern für einen 20 Sekunden langen Videobeitrag für einen Bericht über Sparkling Science. Zu diesem Zweck kam auch ein professionelles Filmteam, mit welchem wir zwei Stunden lang drehten.
Natürlich hat sich das Projekt WALD-WASSER-WEINviertel nicht nur zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Schule zu fördern. Wie der Name schon beinhaltet, wird ein Zusammenhang zwischen mehreren Komponenten im Weinviertel hergestellt: den Bäumen im Wald, welche von dem vorhandenen Wasser abhängig sind, und dem Wein, welcher ebenfalls von Temperatur und Niederschlag geprägt wird. Wir haben gelernt, dass es möglich ist, mit Hilfsmitteln wie zum Beispiel Ortschronologien, Bohrkernen, Weinaufzeichnungen und Computerprogrammen das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren. Diese Informationen sind essentiell um mögliche Szenarien für die Zukunft berechnen zu können. Durch diese Modelle lässt sich erkennen, inwiefern sich das Klima verändern könnte und welche Auswirkungen dies eventuell auf die Flora hätte.
Wichtig für die SchülerInnen ist außerdem, dass sie in das wissenschaftliche Arbeiten hineinschnuppern durften und so einen Einblick in den Forschungsalltag bekommen haben. Für mich hat sich dadurch das Berufsbild des Wissenschafters verdeutlicht. Ich war sowohl bei den interessanten Probennahmen, welche unserer gesamten Klasse großen Spaß bereitet haben als auch bei der eher langwierigen Datenauswertung gleichermaßen beteiligt. Mir wurde klarer, dass ein Projekt dieser Art mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist und es auch mühsame Arbeiten gibt. Allerdings ist es dann umso schöner, wenn man am Ende ein repräsentatives Ergebnis erhält, welches man Interessenten präsentieren kann, da man dann weiß, warum sich die jahrelange harte Arbeit gelohnt hat.
Viele SchülerInnen aus unserer Klasse strebten schon vor der Teilnahme an dem Projekt WALD-WASSER-WEINviertel eine Karriere in der Forschung an. Meiner Meinung nach hat dieses Projekt diesen Berufswunsch nur noch verstärkt, da viele erkannt haben, dass die Wissenschaft sehr viele Bereiche beinhaltet. Das beste Beispiel dafür ist die Dendrochronologie, da ich vorher nicht einmal wusste, dass es diese Wissenschaft überhaupt gibt und schon gar nicht, welchen Zweck sie erfüllt.
Außerdem war das Projekt sehr realitätsbezogen, da die Forschungsbasis materielle Dinge waren, zum Beispiel Bäume, und wir keine hochkomplexen Formeln verwenden mussten. Außerdem wurde das Prinzip der Dendrochronologie von Anfang an verstanden und es war vollkommen klar, zu welchem Zweck das ForscherInnenteam dieses Projekt gestartet hat.
Meiner Meinung nach sollten Sparkling Science Projekte mehr gefördert werden, da SchülerInnen dadurch schon in jungen Jahren einen Einblick in die Wissenschaft bekommen können. Das Gefühl, ein Teil eines großen Projektes zu sein und zu lernen mit verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten, ist eine wichtige Erfahrung – auch für andere Bereiche.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass Projekte, welche die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Forschungseinrichtungen stärken, unbedingt gefördert werden müssen, um Jugendlichen zu ermöglichen in den Arbeitsalltag einer/s WissenschafterIn Einblick zu erlangen.


Jacqueline Keintzel im Juli 2012